Das Leben ist hart in den Bergen – Wo Pannen dramatisch sind & Startkabel rar

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Ich schau auf meine Hände, die ich über dem Lenkrad halte. Unkontrolliertes heftiges Zittern. Das ist alles viel zu viel Aufregung für mich. Meine Knie sind weich wie Margarine und beben genauso heftig wie meine obere Extremität. Ich vernehme einen superflauen Magen. So die Sorte flauer Magen, die man kurz vorm Brechreiz verspürt….

Wie, in aller Welt, soll ich in diesem Zustand diese Karre lenken, wenn sie denn dann anspringt?

Ein Stoßgebet an einen Gott an den ich sowieso nicht glaube. Bitte bitte lass das jetzt nicht wahr sein….

Dann noch einmal tief durchatmen. Mit klappernden Fingern den Schlüssel nochmal umdrehen. Und es passiert genau NICHTS!

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Es gibt wahrscheinlich hässlichere Orte für eine Autopanne...

Reden wir doch mal über persönliche Hürden!

Die Dinge, die in den Augen mancher Menschen eine Lächerlichkeit darstellen mögen, einen selber aber so richtig an die Grenzen bringen. Dinge, die in der Theorie so einfach sind wie ein Brettspiel aus Kindertagen, in der Praxis aber so schwer wie das Monopoly des echten Lebens. Dinge, die sich andere ganz offensichtlich easy so aus dem Ärmel schütteln, während man selbst nur noch ehrfürchtig schluckt.

Mein Thema ist das Alleine-Verreisen.

Mir fehlt der Mut. Ich habe Angst davor, Entscheidungen treffen zu müssen, die sich womöglich als nicht richtig herausstellen. Ich habe Angst, in Situationen zu geraten, aus denen ich selbst nicht mehr herauskomme. Und dann vielleicht jemanden Fremden um Hilfe bitten muss. Und ich habe Angst davor, Angst zu bekommen. So eine kleine Panikattacke vor dem Frühstück - nein danke…

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In der Theorie bin ich richtig gut im Alleine Verreisen 😜

Dabei find ich die Theorie des Alleine-Verreisens ultracool. In jeder Sekunde der Reise das zu tun, worauf man grad Lust hat. Endlich mal gänzlich kompromisslos sein…

Ich bin durchaus schon alleine mit dem Van unterwegs gewesen. Pseudo-Abenteuer. An Orte, an denen Herrli und ich schon gemeinsam waren. Ich kannte also die Stecke, die Parkmöglichkeiten, die Wandermöglichkeiten und ganz wichtig: die Wendemöglichkeiten. Die 6,5 m umzudrehen bringt mich nämlich schon ab und zu ins Schwitzen. 😂

Abenteuer Alleine Verreisen - Der Sprung über meinen Schatten

Ein Pseudo-Roadtrip soll es auch dieses Mal sein. Wir haben Ende Mai. Ich habe 4 Tage frei. Herrli hat’s verpeilt und muss arbeiten.

Welch Glück für mich, dass die geschlossenen Grenzen mich regelrecht dazu zwingen, die 4 Tage im näherem Umkreis von zuhause zu verbringen. So kann ich abermals Orte anfahren, die ich wie meine Westentasche kenne. Und funktioniert etwas nicht so wie geplant, hab ich noch dazu nicht weit nach Hause. 

Und Juhuuuu - Einmal mehr hab ich eine passende Ausrede für mich selbst parat, warum ich mich keinem richtigen Abenteuer stellen kann. 😏

Und dann? Ein inspirierendes Gespräch. Mit jemandem, der das Alleine Verreisen liebt wie meine Hunde ein Paar Frankfurter Würste -  Frankfurter-Würstchen werden in Österreich übrigens die Dinger genannt, die der Deutsche landläufig als Wiener bezeichnet. 

Dieser Funken in mir, endlich mal einen RICHTIGEN Roadtrip mit meinen Hunden zu unternehmen, ohne zu wissen, was mich erwartet, wird zum lodernden Feuer 🔥. Lasset das Abenteuer beginnen.

Es ist so weit - ich fahre für 4 Tage in eine Region, in der ich noch nie zuvor war....

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Das hinterste Hinterhintertupfing - oder auch Villgratental. Eine Premiere für mich. ⛰
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Die Hunde genießen derweil unser Mädels-Abenteuer
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Wieder und wieder dreh ich den Schlüssel im Zündschloss. Ich weiß, dass das nichts bringt, aber mir fällt in der Verzweiflung erstmal nichts Besseres ein.

Warum passiert das gerade? Was hab ich falsch gemacht? Hab ich überhaupt was falsch gemacht? Ich bin mit dem Van ins hinterste Hinterhintertupfing gefahren. Ich allein mit beiden Hunden. Alles war wunderbar. Ein perfekter Mädls-Roadtrip. Ein perfektes Abenteurer. Und dann das…

Obwohl ich seit 3 Tagen weiß, dass in Hinterhintertupfing - das in Wirklichkeit Villgratental heisst - die Netzabdeckung exponentiell gegen Null geht, nehm ich zitternd mein Telefon in die Hand. Den Mann anrufen. Jetzt.

Tja… Auch an Tag 4 hab ich keinen Empfang. Welch Überraschung.

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Besser geht nicht..... 🤘🏻

Jetzt aber endgültig raus aus der Komfortzone

Ich würd mich selbst schon irgendwie als aufgeschlossen bezeichnen. Aber halt passiv. Dieses aktive auf Menschen zugehen - und Fremde womöglich um Hilfe bitten - liegt mir so gar nicht.

Meine jetzige Situation erfordert aber eindeutiges Über-den-Schatten-springen. So laufe ich mit meinen butterweichen Knien und dem Stressmagen zur nächsten Straße. Um 2 Stunden lang jedes Auto anzuhalten, das hier vorbei fährt, um um Starthilfe zu bitten.

Dazwischen laufe ich selbstverständlich ein Mal panisch zurück zum Van, weil mir plötzlich einfällt, dass ich einen offenen Müllsack auf Hundenasenhöhe vergessen habe. Meine 2 Kröten hatten aber wohl eh keinen Hunger - puh… 😅

In den 2 Stunden höre ich 

  • 15 mal 'Keine Startkabel dabei
  • 1 mal 'Ich helfe dir, aber erst will ich noch ein paar Schuss abgeben‘ - Ja, tatsächlich!  Ein Tier zu töten gibt so manchem Jäger mehr als einem verzweifelten Menschen in einer offensichtlichen Notsituation zu helfen… 🤷🏼‍♀️
  • 1 mal 'Ich habe zwar keine Startkabel, aber ich lass dich nicht hängen‘ - meine Heldin! ❤️
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So schön und so einsam ists in Hinterhintertupfing

Meine Retterin kehrt nach einer Ewigkeit mit Startkabeln und den Worten zurück ‚Ich hab noch nie Starthilfe gegeben. Kannst du das?‘

Nein, ich kann’s natürlich auch nicht. 😢 Ein paar Mal bin ich verlegen daneben gestanden - das wars aber auch. Ich begreife abermals die Tragweite dieser Ich-bin-eine-hilflose-Frau-Rolle. Und dennoch schlüpf ich sofort wieder in diesen Part, als ein männlicher Wanderer vorbeikommt.

Keine Panik meine Damen - Das haben wir gleich.'

Nun… Ich hätte dem Herrn gerne seinen großen Auftritt gelassen. Aber als er mir herablassend erklärt, dass das Teil, das ich in der Fahrerkabine freigelegt hatte, nicht die Batterie sei und ob ich denn nicht wisse, dass sich eine Autobatterie IMMER unter der Motorhaube befinde, bin ich schwer schockiert. Das Superman-Cape hol ich mir zurück.

Plus auf Plus, Minus auf Minus - Das kann doch nicht so schwer sein. Als der Van anspringt, falle ich meiner Startkabelheldin nochmals um den Hals und fahre los.

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Tschüüüüüss nach Hinterhintertupfing - wir rollen zurück in die Zivilisation 🚐

Happy End?

Hmmmm…. Man könnte nun meinen, das wär das Happy End. Ist es aber nicht.

Als ich nämlich von Hinterhintertupfing talauswärts rolle - immer noch zittrig, immer noch mit latenter Übelkeit, aber zuversichtlich, problemlos nach Hause zu gelangen - leuchtet die Motorsteuerungsleuchte auf. Ich seh’s derweil noch relativ gelassen - immerhin ist es ein oranges Symbol. Die ‚kritischen‘ Warnleuchten sind rot. Zumindest in meiner Welt.

Das erste Leichtigkeitsgefühl des Tages schwindet genau so schnell wie's gekommen ist. Die Knie werden wieder weicher, der Magen flauer. Nämlich als bei meiner Talauswärtsfahrt die Straße ein klitzekleines Mini-Stück bergauf führt.

Der Motor scheint einfach keine Kraft zu haben. Den Anstieg schafft der Van gerade mal in der Geschwindigkeit eines Handrasenmähers, der von einem 2Jährigen geschoben wird.

Zumindest stecke ich nicht mehr im hintersten Hinterhintertupfing fest, tröste ich mich selbst. Aber… So komme ich nie und nimmer zuhause an. Immerhin sind auf der Strecke 2 Passübergänge zu bewältigen.

Mit der Kraft eines Rasenmähers, dem man 3,5 Tonnen aufgeladen hat, aber glücklicherweise immer bergab, rolle ich zurück in die Zivilisation, wo ich auf Held Nummer 2 an diesem Tag treffe - ein Mechaniker des Pannendienstes Arbö.

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Zurück in der Zivilisation wird mir ein zweites Mal geholfen... ❤️

Problem erkannt - Problem gebannt

In den Tagen in Hinterhintertupfing hatten meine Hunde und ich wohl einen weiteren Mitbewohner - Einen Marder. Mit einem gesteigerten Appetit auf Fiat-Ducato-Motorraum-Verkabelung. Ein paar Haare an einem beschädigten Stecker hinterlässt mir der unbeliebte Nager als kleines Andenken an ihn…

Und während der Arbö-Mensch sein Bestes gibt, den Schaden zu beheben, fällt die gesamte Anspannung. Erleichterung. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich bin selbst aus dieser Situation wieder rausgekommen. Keiner hat mich aufgefressen als ich um Hilfe gebeten habe. Und ich werde heute noch nach Hause fahren.

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Ein paar Marderhärchen als Andenken....

Held 2 rät mir, auf dem Nachhauseweg den Motor auf gar keinen Fall abzustellen. Die Batterie sei wohl nicht mehr ganz astrein.

Übrigens behält er Recht. 4 Tage später kaufe ich eine neue Autobatterie….

Die weichen Knie vergehen, meine Hände zittern nicht mehr. Einzig das mit dem Magen will nicht aufhören.

Und als ich um 17:00 Uhr zuhause ankomme, weiß ich auch warum. Mein Magen ist so leer wie Skye’s Futternapf zwei Sekunden nachdem ich ihr Selbigen vorsetze. So leer als wär niemals etwas drin gewesen. Ich habe seit 24h nichts gegessen. Und Himmel Herrgott - ich hatte heute morgen nicht mal einen Kaffee.

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Never start an adventure before coffee... ☕️

Ich wollte doch ein Abenteuer?

Zum Begriff Abenteuer hat Wikipedia folgendes zu sagen:

Als Abenteuer (lateinisch advenire ‚Ankommen‘ und adventus ‚Ankunft‘; mittelhochdeutsch: aventiure) wird eine risikoreiche Reise oder eine risikoreiche Erkundung eines Gebiets oder einer Räumlichkeit bezeichnet, die sich stark vom Alltag unterscheidet. Es geht um das Verlassen des gewohnten Umfeldes und des sozialen Netzwerkes, um etwas Wagnishaltiges zu unternehmen, das interessant, faszinierend oder auch gefährlich zu sein verspricht und bei dem der Ausgang ungewiss ist. In diesem Sinne gelten und galten Expeditionen ins Unbekannte zu allen Zeiten als Abenteuer. Die Risiken eines Abenteuers sind in der Regel (je nach Situation) physische Schäden, psychische Folgen, Verluste und Schäden von Eigentum oder juristische Konsequenzen.

War dieses kleine Desaster denn nun nicht einfach nur ein richtiges Abenteuer? Eine Reise bei der unvorhergesehene Hürden auftreten, die ich bewältigen muss? Und auch bewältigen konnte?

Die Frage, die ich mir aber eigentlich stelle, ist, ob ich denn nun Abenteuerblut geleckt hab. Oder ob ich nicht doch lieber eine ganze Weile wieder die Co-Pilotinnen-Position einnehme und die breite Schulter zum Anlehnen nehme anstatt alleine zu verreisen.

Gehe ich stärker oder schwächer aus dieser Erfahrung?

Nur eins weiß ich jedenfalls gewiss: Ich gehe nie wieder ohne Startkabel. Und nie wieder ohne Kaffee am Morgen.

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In Zukunft wieder so? 🤷🏼‍♀️

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7 thoughts on “Das Leben ist hart in den Bergen – Wo Pannen dramatisch sind & Startkabel rar

  1. Ooooh, Steffi! Ich kann so dermaßen nachempfinden, was du durchgemacht hast. Einfach so typisch, dass solche Geschichten gerade dann passieren, wenn man alleine unterwegs ist 🙈
    Ich würde wohl die nächste Zeit auf Solotouren verzichten, ich bin nämlich auch ein Schisser und dazu noch ohne Orientierungssinn 😂🤭

    Liebe Grüße Sarah ☀🐾

    1. Hey Sarah….
      Ja, es wird wohl so sein, dass ich derweil mal keine Solo-Reisen unternehme. So sehr mir die Idee in der Theorie gefällt, so froh bin ich dann aber auch um die bequeme Postion am Beifahrersitz 😜
      Liebe Grüße an deine Liebsten,
      Steffi

  2. Ai ai ai, das klingt ja abenteuerlich! Ich glaube, da wären bei mir irgendwann die Tränen geflossen. Aber das mit de Starterkabel ist glaube ich ein guter Universaltipp – und wenn nicht für einen selber, kann man damit bestimmt irgendwann jemand anders retten! Und gut zu wissen, dass das ja auch gar nicht so schwierig ist. 🙂

    1. Servus Isabell,

      Danke für deinen Kommentar. ❤️
      Ganz ehrlich – ich hab mir auch die ganze Zeit gedacht, ich heul gleich los…. Aber dann hätt ich wieder elendig lang warten müssen bis ich mich wieder an die Straße stellen kann – verheulte Frauen will kein Mensch sehen 😂

      Startkabel gehören wohl zur Grundausstattung jedes Fahrzeugs wie ich nun von mehreren Seiten belehrt wurde… 🤷🏼‍♀️ Für’s nächste Mal bin ich gerüstet. 😜

      Liebe Grüße aus Tirol,
      Steffi

  3. Ooooh , dieses Gefühl „Sch..! Das kann doch jetzt nicht wirklich passieren!“ kenne ich. (Z.B. als ich meinen Autoschlüssel auf Sizilien unauffindbar im Meer versenkt habe) Ich habe zum Glück die Erfahrung gemacht, dass Hilfsbereitschaft an jeder Ecke lauert. Ich wünsche dir, dass du beim nächsten Mal nicht so viele „Fehlversuche“ hast oder noch besser, dass du gar nicht mehr in so eine doofe Situation kommst.
    Liebe Grüße, Anja

    1. Servus Anja,
      Ich glaub, an die Geschichte mit dem Schlüssel kann ich mich erinnern… 😜

      Ich muss tatsächlich sagen, wenn ich heute – gute 2 Monate später – auf mein nicht so geglücktes Abenteuer und die Autopanne zurückblicke, kann ich lachen. Und ich hab es auch Gott sei Dank wieder gewagt, alleine loszuziehen – Zuletzt mit viiiieeeel mehr Erfolg 👌🏼

      Beste Grüße,
      Steffi

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