Die Wiege meines Vaters - ein auf einer Mittelgebirgsterrasse des Aussichtsberges Gilfert gelegenes Provinznest der Tuxer Alpen - war mir bislang nie wirklich eine Heimat. Die Dorfstruktur kann man bis heute als eher ….. hmmmm…. rustikal bezeichnen. Andersartige werden schwer akzeptiert. Integration? Was ist das?
Was konnte ich aber auch erwarten? Ich sprach bereits als Kleinkind fließend Englisch, ich bekam Reitunterricht, besuchte ein Gymnasium und die absolute Krönung: ich ging mit meinem (Rasse)Hund an der Leine Gassi. Ganz klar - ich war der Dorffreak!
Nachdem ich meine dortigen Wurzeln, denen schlichtweg ein Fundament fehlte, schon sehr jung abbrach, mied ich die gesamte Region rigoros.
.... Bis zu dem Tag, an dem ich beschloss, den Gilfert zu erwandern...
Der Gilfert ist ein 2506m hoher Aussichtsberg der Tuxer Alpen und gilt als Hausberg der oben erwähnten Gemeinde.
Genächtigt wird am Wanderparkplatz Loas Sattel (Mautstraße - Man kann am Automaten für bis zu drei Tage bezahlen), von dem unzählige Wanderrouten abzweigen.
Bei einem Bierchen genießen wir den Sonnenuntergang über dem Inntal.
Längst verdrängte Gedanken an jugendliche Kränkungen und Ablehnung kommen hoch, ruinieren jedoch meine Stimmung erstaunlicherweise nicht. Die Zeit heilt also doch Wunden...
Einzig der starke Wunsch, auf meiner geplanten Wanderung auf den Gilfert nur kein ‚bekanntes’ Gesicht zu treffen, ist spürbar.
Nach einer herrlich ruhigen Nacht, werden wir von romantischem Kuhglocken-Gebimmel geweckt.
Ein ordentliches Frühstück als Basis für den Tag und Skye und ich begeben uns vom Loas Sattel entlang des breiten Kammrückens Richtung Südwest. Ich begegne vorläufig nicht vielen Wanderern, kann so meinen Gedanken vorm Vortag noch ein wenig nachhängen.
Die Berge, die du mit dir herumschleppst, hättest du eigentlich nur erklimmen sollen - Najwa Zebian
Der stetige Anstieg Richtung Gilfert führt vorbei an kleinen Moorlacken, einem Meer von bereits verblühten Almrosen und endlosen Mengen an Heidelbeersträuchern. Wir naschen immer wieder mal.
Die Ausblicke während dieses fabelhaften Aufstiegs sind phänomenal. Ich sehe zum ersten Mal in meinem Leben die Schönheit dieser Region. Das hätt mir aber auch echt mal einer zeigen können…. Tja, mein Vater ist leider alles andere als ein Naturbursche.
Wir passieren den Kleinen Gamsstein (1924 m), anschließend dessen Big Brother - Großer Gamsstein (2142 m).
Der Gipfel des Gilfert - Umso steiniger der Weg, desto wertvoller das Ziel...
Das letzte Stück zum Gipfel des Gilfert ist felsig aber nie gefährlich - wie’s im Leben halt auch manchmal ist.
Ich nehme Skye an die Leine noch bevor ich das Gipfelkreuz erreiche. Zu viele Stimmen hör ich da oben und zu hoch ist bei meinen Hunden das Risiko, dass sie fremde Menschen um ihre Gipfeljause erleichtern.
Und dann stehen wir oben - das Gipfelkreuz des Gilfert ist absolut gigantisch - bestimmt mindestens 10m hoch!
Verweilen kann ich dennoch nicht. Zu viele Personen. Ich will mir ersparen, erkannt, geschweige denn angesprochen zu werden. Also, geschwind ein Foto schiessen, dann aber unverzüglich weiter marschieren.
Eins muss ich jedoch schmunzelnd feststellen: Viele der durchwegs einheimischen Wanderer sind mit ihren Hunden hier. Hat der Hund als Haustier hier inzwischen mehr Akzeptanz? Beinahe zwei Jahrzehnte sind dann doch eine lange Zeit - da können sich Dinge schon verändern…
Entlang der Westflanke des Gilfert steigen wir ab, halten uns Richtung Lafasteralm. Ich finde irgendwann wieder zu meiner Ruhe zurück. Pause. Skye und ich können das einzigartige Panorama wieder für uns genießen.
Ab dem Lafasteralm-Niederleger spazieren wir nahezu ohne Höhenunterschiede erst auf einem Güterweg, dann auf einem verträumt verschlungenen Steig zum idyllisch gelegenen Alpengasthof Loas und von dort wieder zum Ausgangspunkt, wo Herrli und Chumani uns bereits freudig erwarten.
Ein weiterer überwältigender Sonnenuntergang mit Blick auf das Inntal
Ich hab’s getan. Ich bin an einen Ort meiner Kindheit gekehrt. Es hat sich gelohnt, denn tatsächlich war die Wanderung auf den Gilfert eine meiner Schönsten für 2018.
Hätte es beim Erwachsenwerden geholfen, sich öfter mal in diese Natur auszuklinken? Die Idylle erkennen und sich doch ein wenig heimisch fühlen?
Ich weiß es nicht…
Beinahe 20 Jahre nachdem ich von hier weg bin, hab ich nun aber so etwas wie Frieden geschlossen.
Hundetauglichkeit am Gilfert - die Details
Eine umfassende Beschreibung der ca. 14km langen Wanderung mit GPS-Daten findest du auf Bergfex.
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- Wasser kommt immer wieder mal vor (kleine Bäche, Moorseen)
- Mein Hund läuft beinahe durchgehend ohne Leine. Der Wald am Ende der Wanderung (kurz nach Lafasteralm-Niederleger) beherbergt vermutlich einige Wildtiere, zumindest hat Skye mir das so angezeigt, sie wurde folglich an die Schleppleine genommen.
- Die Wanderung ist für Hund und Mensch an sich easy zu bewältigen - Grundkondition sollte man jedoch mitbringen
- Einkehrmöglichkeit erst am Ende der Wanderung im Gasthof Loas, berühmt für seine Wiener Schnitzel - hier gibts übrigens auch Zimmer zu mieten. www.loas.at
Bock auf mehr über Wochenendtrips in den Alpen? HIER gehts zu weiteren Kurzreisen in den Bergen.
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht im Magazin Schreib Was – Literatur aus Österreich
Tolle und märchenhafte Story die einmalig in Worte gefasst wurde 😉
lg.walter
Danke lieber Walter für den lieben Kommentar. Es hat uns soooo sehr gefreut euch kennen zu lernen – Der einzige Bruder unseres Kastens, der uns in Frankreich begegnet wird von den einzigen Österreichern gefahren, die uns unterkommen. Ganz klar – das schreit nach Wiederholung 😉
Bis bald 😎