Remos Reise – Ins Herz geSettert

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‚Reeeeeeeemooooooo…‘ 🗣️

Grantig über meine Vernunftlosigkeit presche ich den holprigen Felssteig hinunter, dem klapprigen, eben noch angeleinten Hund hinterher. Das Gelände ist anspruchsvoll und ich bin gezwungen, auf meine Schritte zu achten. Zugleich will ich den ambitionierten kleinen Setter auf gar keinen Fall aus den Augen verlieren. Der wiederum verfolgt indessen gedankenlos eine Schwalbe. Eine ziemlich flotte Schwalbe. Remo hält sich dabei nicht an Wege. Die kennt er nämlich nicht. Nein, Remo läuft - die Nase konsequent zum Himmel gerichtet - dieser Schwalbe hinterher. Über ein Blockfeld. Auf einen Abgrund zu.

Oh mein Gott, er wird sich das Genick brechen. Oder ein Bein. Ja, mindestens ein Bein. Und wie, um Himmels Willen, soll ich ihn aus dem Graben bergen. Er wird dort endgültig verhungern. Ganz bestimmt. 😱

Als ich dieses Verhalten bei unserem Findling erstmals sehe, find ich es noch durchaus amüsant. Ein Hund, der - wohl zum ersten Mal in seinem Leben am Meer - beim naiven Versuch Möwen zu jagen, von einer Welle umgeworfen wird, triggert sogar meine Lachmuskeln. Kurz zumindest. Im nächsten Augenblick spende ich selbstverständlich Trost. Und fühle mich schuldig…

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Keine Frage, der English Setter ist ein Jagdhund. Seit Generationen spezialisiert mitunter auf die Vogeljagd. Aber sich kopflos und ohne einen Funken Selbsterhaltungstrieb in einen Graben zu stürzen, sowas kann beim besten Willen nicht genetisch erwünscht sein. 🤔

Es stellt sich alsbald heraus, unkoordinierte und mitunter lebensgefährliche Jagdsequenzen sollen nicht Remos einzige Marotte bleiben.

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Wandern inzwischen ausnahmslos mit Leine 😉
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Wandeln im Gleichschritt...
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... und Schnarchen im Takt
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Inzwischen ist unser kleiner Italiener schon richtig bergtauglich

Der Erste nach der Besten - Chumanis große Fußstapfen

Während der ersten Wochen meine ich, niemals in der Lage zu sein, diesen Hund zu lieben.

Es ist zu früh. Und außerdem wollte ich noch nie einen Rüden. Und schon gar keinen Jagdhund. Eigentlich will ich einfach nur, dass mir der Regenbogen Chumani zurückgibt.

In den ersten Nächten mit Remo träume ich mehrmals von Chumani. Dass ich sie weggegeben hätte & flehentlich versuchte, sie wiederzubekommen. Und dass ihre neue Familie nicht genug auf ihre Bedürfnisse achtete. So wie ich diese Zeilen schreibe, rollen mir erneut Tränen der Verzweiflung über die Wangen. Ich vermisse sie so so sehr… 😢

Der verwahrloste kleine Setter findet sich in der wirklich bedauernswerten Rolle wieder, der erste Neuzugang nach dem besten Hund der Welt zu sein. Und damit ist er chancenlos. Beinahe.

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Damals, als wir noch dachten, Remo würde schon irgendwie mitlaufen. Ohne Leine... 🤣

Denn die Liebe zu Remo wird am Ende eine von der Sorte sein, die wachsen darf. Sie beginnt ganz klein. Aus einem Hauch von Pflichtgefühl einem nahezu verhungerten und augenscheinlich verwirrten Hund gegenüber, dessen Weg an einem schrecklich nassen und schrecklich kalten Tag den unseren kreuzt. Irgendwo in den Bergen zwischen Kompanien und Basilicata.

Reinrassiger English Setter zugelaufen - was nun?

Unser erster Kontakt mit der süditalienischen Polizei soll ein entgegenkommender sein. Und ein ehrlicher. So werden wir nach der erfolglosen Chipsuche an dem Findling über die gängige Praxis der hiesigen Jäger aufgeklärt, unbrauchbar gewordene Jagdhunde gerne mal in unbekanntem Terrain zu entsorgen. Damit sie auf keinen Fall wieder nach Hause finden. 🤬

Warum diese Typen ihre Hunde nicht einfach erschießen, erschließt sich mir nicht. Fairer wär’s allemal… 

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Was muss man für ein Mensch sein, so ein Geschöpf aus einem fahrenden Auto zu werfen...?

Weder das, von den Polizisten vorgeschlagene, neuerliche Aussetzen des Hundes, noch die Option, ihn in ein Canile - ein düsteres Hundelager, mit dem schäbige Menschen gutes Geld verdienen - zu bringen, kommen in Frage. So geschieht es schließlich, dass an diesem schrecklich nassen und schrecklich kalten Tag zwei Menschen, eine Aussie und ein erbärmlich aussehender ‚Setter Inglese‘ eine Polizeistation verlassen und zu viert in einen Van steigen. Irgendwo in den Bergen zwischen Kompanien und Basilicata.

Eine moralische Entscheidung. Mein Herz wird nicht gefragt…

Die ersten 4 Wochen - von Pflichttreue und Distanz

Als ich nach wenigen Tagen die ersten Geständnisse bei den Daheimgebliebenen ablege, befinde ich mich längst schon in einem Konflikt.

Remos Special-Effects reichen von zwanghaftem im Kreis um den geparkten Van oder um mich hetzen, über mindestens so exzessivem und sinnentleertem Vor- & Zurücklaufen beim Spaziergang, bis zu dem unbedingten Drang, sich mit dem gesamten Körper durch hundeschnauzenkleine Öffnungen zu pressen. Kaum öffnet sich die Autotür, verwandelt sich dieser Hund in das rastloseste Geschöpf dieser Welt. Klar, er dürfte in seinem bisherigen Leben wenig anderes gelernt haben.

Trotz seiner grenzenlosen Gier nach Fressbarem, Verpackungen von Fressbarem und bereits verdautem & wieder ausgeschiedenem Fressbarem, kennt unser Findling Futter aus der Hand eines Menschen anfangs nicht. Dafür stellt das Abstellen eines Wassernapfes offenbar ein Signal für ihn dar, abnorme Mengen an Wasser in möglichst kurzer Zeit aufzunehmen. 🐳

Obendrein dauert es nicht lange, bis wir merken, dass unser zarter Setter wohl sehr sehr schwerhörig, wenn nicht sogar völlig taub ist.

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Familienfoto? Nope, Remo kann nicht still sitzen... 🙃

Auf Reisen einen Hund mit Vergangenheit zu adoptieren, mag theoretisch erstmal eine wundervolle Geste sein. Im Kopf. Mit der rosaroten Herzchenbrille auf der Nase.

Aber einen kurzen Realitätscheck später sehe ich mich, mein komplettes Sabbatical damit verbringen, das Leben auf 6,5m mit einem tauben Hibbelhund - und einer possessiven Prinzessin mit Giftzahn - gerade so zu bewältigen. 

Alles kein Problem, wenn man von seinem Herzen getragen wird. Aber Remos allergrößte Verfehlung ist eigentlich, dass er einfach nicht der Hund ist, den ich vermisse. 😢

Welche beschämenden Auswüchse mein Wankelmut annehmen kann, wird mir schließlich im Rahmen des ersten Tierarztbesuches klar. Nämlich als Remo Leishmaniose-positiv getestet wird. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass sich mein Schlamassel mit der Diagnose wohl von selbst löst. Ich möchte meinen, dies ist einer meiner bislang unrühmlichsten Augenblicke

Ja, ich bereue. Und ja, ich fühle mich deswegen miserabel. Hätte dieser Hund es nicht auch verdient, von einem Menschen geliebt werden? Wahrhaftig und von ganzem Herzen…?

Tja…Man kann Hunde übrigens auch von Robotern versorgen lassen. Ich muss das wissen, ich war in diesen Wochen einer. Die Setter-Bedürfnisse werden wie Pflichtpunkte abgehakt. Ja, auch die Streicheleinheiten. 😔

Ein Liebe-An-Schalter, das wär’s gewesen… 🕹️

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A dog and his Kuscheldecke - Ein Setter lernt Entspannung
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Und wird so...
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... noch zum richtig coolen Vandog
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Aus Pflicht wird Kür

Obgleich mir die Geschmeidigkeit im Umgang mit dem Neuen anfangs fehlt, bin ich offenbar von der ersten Sekunde an Setters große Liebe. Noch immer - nach inzwischen fast vier Monaten gemeinsamen Lebens - quiekt er nach dem Aufwachen bei meinem Anblick vor Freude. Wie ein rostiges Gartentor. Und wenn ich ihn anschließend umarme, gurrt er wie eine alte Stadttaube & knabbert dann mit sein stumpfen Zähnchen an meinem Ohr. 💕

Die Robotertage jedenfalls, die haben - wie sich herausstellen soll - auch ihr Gutes. Remo lernt Routine. Sein Erregungslevel beginnt nach und nach zu sinken. 

Wann immer seine Aufmerksamkeit es zulässt, orientiert sich der dürre kleine Setter an Skye. Unaufdringlich und höflich. Patschert aber stets besonnen. Und Skye? Die Hündin, die bereits auf über 100m Entfernung zu unkastrierten Poposchnüfflern ihr Unbehagen äussert, läuft mit Remo im Gleichschritt

Das ist er wohl, dieser eine aus eintausend Hunden, der zu unserer eigensinnigen Kröte passt. Aber zum Mann und mir…?

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Perfect match...

Sprache weckt Emotion - Die Wucht der richtigen Worte

Es ist schließlich ein Gespräch - nein, ein sehr starkes Plädoyer - das meine Gefühle grundlegend verändert. In meiner Pro-Remo-Rede bitte ich den Lieblingsmenschen, er möge doch derjenige sein, der sein Herz für diesen Hund öffnet, denn ich könne einfach nicht. Ich bitte um Nachsicht für seine Schwächen. Ich zeige Fortschritte auf. Und ich spreche all seine wundervollen Eigenschaften aus - seine Lebenslust, seine Albernheit, seine Warmherzigkeit, seine Umgänglichkeit, seine Dankbarkeit.

Und es ist, als ob ich mich - alleine durchs Verbalisieren der Argumente für Remo - an diesem Abend selbst überzeugen kann. Ganz und gar.

Mein Herz geht auf, Remo tritt ein. Und bringt all das Glück mit, von dem ich dachte, es wäre mit Chumani für immer aus meinem Leben verschwunden

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Happy to have you... ❤️

Ecluse de Tréboul - Canal du Midi

Heute auf den Tag genau vor drei Jahren saß ich an genau dieser Stelle vor genau diesem Van und ließ genau diesen Ort auf mich wirken. Alles war ganz genau so wie heute. Außer dass auf der Decke neben mir ein anderer Hund entspannt vor sich hinschlummerte.

Remo hat nie versucht, Chumani zu sein. Obwohl er immerhin ihr Brustgeschirr und ihr Halsband tragen darf. Remo war immer einfach nur Remo. Sehr oft anstrengend aber viel viel öfter sanft.

Mit meinem Zeigefinger streiche ich über die schwarzen Pünktchen auf Remos breiter Stirn. Ich muss kurz schmunzeln. Es ist erstaunlich, in welch kurzer Zeit Klein-Setterchen seine Talent für Entspannung ausmachen konnte. Dabei erklingt der Appell einiger erfahrenerer Secondhandhundeeltern noch in meinen Ohren: Er braucht Zeit.

Wie ich ihn ansehe, und er im Schlaf freudig vor sich hinfiept und mit dem Schwanz wedelt, bin ich mir zu 100% sicher, dass er gerade von mir träumt.

Zeit... Ja, Zeit brauchte vielmehr ich…

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30.06.21 - Ecluse de Tréboule 🥲

4 thoughts on “Remos Reise – Ins Herz geSettert

  1. Ich liebe deinen Blog so sehr! Da bekomme ich selbst wieder Sehnsucht mir einen Hund zuzulegen, um mit ihm die Welt (oder zumindest Deutschland und die Nachbarländer) zu bereisen!

    1. Danke liebe Anna für deinen Kommentar. ❤️

      Was spricht denn gegen eine Fellnase in deinem Leben?

      Ganz liebe Grüße,
      Steffi

      1. Bis vor 2 Jahren hatten wir einen Hund, der leider nach 14 Jahren gestorben ist und aktuell fehlt uns leider etwas die Zeit. Die Eingewöhnung ist ja teilweise doch etwas aufwendiger und wenn würden wir gerne einen Hund aus dem Tierschutz retten und dann auch wirklich 100 % bereit sein. Aber mal sehen, was die nächsten Jahre bringen 🙂

        1. Der Richtige wird zum richtigen Zeitpunkt da sein… 🐾

          Ich wünsche dir, dass du nicht allzu lange warten musst ❤️

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