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Klack-Klack-Klack-Klack...
Dieser unverkennbare helle Klang des hochalpinen Sommers. Von dünnschichtigen scharfkantigen Schiefersteinplättchen, die unter der Sohle meines Wanderschuhs aneinander klacken. Ab und zu ein lautes Knacken. Wenn einer der brüchigen Steine meinem Gewicht nicht standhält und in mehrere Teile zerbröckelt. Dazu der charakteristische Nachhall als Antwort der Berge.
Klack-Klack-Klack-Klack…
Reschen Schrittes geht’s voran. Ich bin ungefähr so geflasht wie ein Fohlen an einem der ersten warmen Tage im Frühling. Ich hab doch grad tatsächlich die Blume der Blumen erblickt. Eine Edelweiß. Zum allerersten Mal in meinem Leben. Die pelzige Blume steht übrigens für Mut und Tapferkeit, wie mir später jemand mitteilt.
Klack-Klack-Klack-Klack…
Noch zwei Serpentinen und ich habe den höchsten Punkt des Sentiero Dino Icardi erreicht. Kein Gipfel. Nein, ein Pass. Ein Grenzpass. Der Colle de Gippiera auf 2948m.
Klack-Klack-Klack-Klack…
In meinen kabellosen Kopfhörern ertönen ausgerechnet jetzt die ersten beflügelnden Takte von Reinhard Fendrichs ‚I am from Austria‘.
Ja, ich hab ein fast schon peinliches Faible für Austro-Pop. Und ja, die heimliche Hymne meines kleinen Heimatlandes stimuliert mein Gänsehaut-Knopferl.
Klack-Klack-Klack-Klack…
Und dann ist er plötzlich da - der ergreifendste Bergmoment meines Lebens… ⛰❤️
Valle Maira - Hard Facts
Das Valle Maira liegt im südlichen Piemont in der Provinz Cuneo. Namensgeber für das etwa 60km lange von West nach Ost verlaufende Tal ist der kristallklare Gebirgsfluss Maira, in dem Skye und ich während unseres Aufenthaltes die ein oder andere Kneippkur wagen.
Geologisch ist das beschauliche Tal Teil der Cottischen Alpen und grenzt direkt an mein Lieblingsland Frankreich.
Die Region Valle Maira soll bis in die 80er Jahre eine der am stärksten von Abwanderung und Überalterung betroffenen Landstriche Italiens gewesen sein. Erst durch die Anlegung des GTA (Grande Traversata delle Alpi) - ein 1000km langer Weitwanderweg von den Walliser Alpen bis nach Ligurien - und etwas später des Percorsi Occitani - eines Maira-Tal-Rundweges, machte sich das Valle Maira allmählich einen Namen in Bergfexler-Kreisen.
Heute umfasst die Region neben gut 200km markierter Wanderwege & Mountainbike-Trails auch noch unzählige putzige Unterkünftsbetriebe und Lodges, sowie naturbelassene Campingplätze und einige hervorragende Restaurants. Den ursprünglichen Charme konnte sich das urige Tal Dank der bislang nachhaltigen und sehr bedachten Vorgehensweise des Tourismusvereins Mairatal bewahren.
Genau meins also. Unverdorbene Menschen in unberührter Natur.
Und das ist mitunter auch der Grund, warum ich schon eine ganze Weile darauf dränge, das Mairatal endlich mal per Campingbus - und natürlich mit Hund - kennenzulernen.
Eine Solo-Reise mit Wohnmobil und Hund ins Maira Tal?
Da der Valle-Maira-Funke zwar auf mich überspringt, bei der besseren Hälfte aber mit einem Zisch verpufft, bleibt mir lange Zeit nichts Anderes als das Blättern in meinem wunderschön bebilderten Kompass Wanderführer *
Die Jahre vergehen bis wir schließlich irgendwann im Sommer 2020 ankommen. Der Sommer nach der ersten Corona Welle. Aber auch der Sommer vor der zweiten Corona Welle. So zumindest meine persönliche Mutmaßung. Mit Skepsis blicke ich auf steigende Infektionszahlen. Wachsender Zweifel, ob unser Haupturlaub im Oktober so stattfinden kann. Sehnsucht nach der Ferne.
Und da flackert er wieder auf, der Valle-Maira-Funke. Fängt Feuer. Meine Fantasie geht mit mir durch. Was wär wenn ich mich allein trauen würde, diese Region zu bereisen? Wie wär’s mit jetzt?
Schließlich erinnere ich mich an das Dilemma meines letzten Versuchs eines Solo-Roadtrips. Puff - Die dicke Löschdecke landet zielsicher auf meiner glühenden - aber für mich scheinbar schlicht unerfüllbaren - Alleine-Reisen-Euphorie… 😢
Und dann? Tja, ich glaub unter der Decke hat’s noch weiter geglimmt… 😉
Nach tagelangem emotionalem Zwist & wiederkehrenden Unsicherheiten - was ist wenn dieses passiert, was ist wenn jener Fall xy eintritt? Schaff ich das wirklich? Oder ist’s nicht einfach bequemer, es gar nicht erst zu probieren? - fällt die wahrscheinlich beste Entscheidung des Jahres.
Ich fahre tatsächlich alleine in meinem Campingbus ins hintere Valle Maira. Also… fast alleine. Skye - der Hund, der eigentlich breitschultriger Türsteher in Bomberjacke hätte werden sollen, ist fest an meiner Seite. ❤️
Ist es Liebe oder ist es das Salz?
Herr Fendrich singt vom Gletscherwasser, das talwärts rinnt. Von Stolz. Davon, den Hut zu ziehen. Von Orten, wo man hingehört.
Ich steh im falschen Land für diesen Song, ich weiß. Aber es geht einfach mit mir durch. 😭
Während ich von Colle de Gippiera auf den in Frankreich gelegnen Lac de Neuf Couleurs hinabblicke, kullert eine regelrechte Flut salziger Tränen über meine ebenso - von der bis hierher schweißtreibenden Wanderung - salzigen Wangen.
Ich bin überwältigt von diesem Moment. Überwältigt von mir selbst. Davon wo ich emotional aber auch physisch gerade stehe. Nämlich an der Grenze zu Frankreich. Trotz des neuen, unfreieren Lebens in Europa seit Corona.
Ich bin überwältigt von meinem Mumm diese Reise zu unternehmen. Und von der Leichtigkeit mit der sie bisher gelungen ist.
Ich bin überwältigt von der pelzigen Edelweiß, die einfach so, direkt entlang meiner Wanderroute vor sich hin blühte. Eine Blume so rar.
Und ich fühle mich stark wie noch nie. 💪🏻 Obwohl ich vor nicht einmal 2h meine angststarren Finger völlig sinnbefreit und vergeblich nach Halt suchend in loses Schiefergeröll grub, während meine Beine aufgrund von übersteigerter Höhenangst nicht mehr das machen wollten was sie sollten. Dazu aber später mehr… 😏
Skye beendet meinen bewegten Moment mit einer ausgiebigen Putzorgie meiner tränennassen Wangen. Liebe? Wohl eher der salzige Geschmack auf meiner Haut. Naja, ein bisschen Liebe vielleicht doch… ❤️
Camping im Maira-Tal
Viele von euch kennen mich ja nun doch schon ein wenig. Meinen Urlaub auf einem klassischen Campingplatz zu verbringen, würde mir ungefähr so viel Freude bereiten, wie meine Hunde verzückt wären, wenn ich sie fortan vegan ernährte. 😜
Affige Anlagen, die man 3 Wochen lang nicht verlässt. Mit riesigen Poollandschaften, Kinderbetreuung, Dauerbeschallung durch Animation, penible Parzellierung - womöglich noch nach Kleinbürgerart abgezäunt und mit mitgebrachten Blumenkästen voll Plastikblumen versehen… Zu spießig für mich.
Vielleicht weist einer der etlichen anderen Campingplätze im Valle Maira diese einzigartigen Eigenschaften auf. Das Rifigio Campo Base in Chiappera, wo ich mein Lager aufschlage, macht das jedenfalls nicht.
Ich finde mich auf einem wundervollen naturnahen Campingplatz im hintersten Valle Maira wieder. Der Platz besitzt genau DEN Charme, den ich mir von einem Campingplatz wünsche: Er ist klitzeklein - reist man am Wochenende an, empfiehlt es sich deswegen übrigens definitiv zu reservieren. Er liegt direkt am Fluss und er stellt sich als idealer Ausgangspunkt für Wanderungen heraus. Hundefreundlich ist er nebenbei auch noch. Sehr sogar. 🐶🏕
Meine Campingplatznachbarn sind restlos Naturburschen und Draussimädls. Teils mit Hund. Teils mit Kind. Eine Handvoll Wohnmobile & Campingbusse und ein paar Zelte als Farbtupfer. Hängematten zwischen den Bäumen für die Coolness-Quote. 😎
Nach Sonnenuntergang kehrt schnell Stille ein. Jeder hier will morgen ausgeschlafen sein. Der Berg ruft.
Kleiner Campingplatz-Teaser: Wer selbst nicht kochen mag, für den tischt das Refugio Campo Base auf. Schnitzel und Bockwurst sucht man Gott sei Dank vergeblich auf der Speisekarte. Hier wird ausschließlich beste okzitanische Cuisine serviert.
Wandern mit Hund im Valle Maira
Mit Hund in Italien zu reisen und zu wandern hat mir bis heute noch nie Probleme bereitet, haben doch viele Italiener eine zügellose Schwäche für Hunde. So auch im Valle Maira, wo Skye überall Sympathiepunkte absahnt.
Die Hunde der Einheimischen begegnen uns allesamt freundlich, sozial verträglich und ohne Leine. Mit Ausnahme der Herdenschutzhunde versteht sich. Die wuscheligen weißen Brummbären werden hier zum Schutz der Schafherden gegen Wolfsangriffe eingesetzt. Und diese Aufgabe erfüllen sie mit übellauniger Entschlossenheit.
Mein Tipp: Lass deinen Hund NICHT mal eben kurz Hallo sagen sondern geh zügig und mit ausreichendem Abstand weiter.
Ausgangspunkt für die folgenden Rundwanderungen ist jeweils das Refugio Campo Base.
Du bist auf einem anderen Campingplatz untergekommen, möchtest aber trotzdem genau diese Touren nachgehen? Oder du willst auch einen anderen Teil des Valle Maira zu Fuß erkunden und möchtest dafür nicht mit deinem Fahrzeug los müssen? Für diese Fälle hat Valle Maira Tourismus noch ein Ass im Ärmel. Nämlich den sogenannten Sherpa-Bus. Ein Wandertaxi, das dich bringt, holt, Gepäck nachtransportiert,…
1. Wandern mit Hund auf dem Sentiero Dino Icardi
Ich hab’s ja bereits weiter oben schon durchsickern lassen - meine Per-Pedes-Erkundung des Maira-Tals auf dem Dino-Icardi-Weg verläuft nicht gänzlich reibungslos. Eine Tatsache, die alles andere als überraschend kommt. Laut meinem Kompass Wanderführer * soll es auf der auf dem traumhaften Rundwanderung eine kurze seilversicherte Passage geben.
Und wie soll es auch anders sein? Natürlich werden meine Beine an dieser Schlüsselstelle starr wie Wanderstöcke. Naja, also eigentlich 5m vor der Schlüsselstelle. In einem steilen Hang mit losem Schiefergeröll. Nicht mal ein Grashalm, der so tun könnte, als ob er mir Halt gäbe….
Aber auch diese - gerade mal 3 Meter breite - Situation hat mich an diesem Tag wachsen lassen und trägt schließlich bei zur meinem ganz großen Bergmoment am Colle de Gippiera.
Der Dino-Icardi-Weg beinhaltet alles, was das Wanderer-Herzerl höher schlagen lässt. Von sanften Almwiesen, über traumhaft gelegene Bergseen und sogar einem der höchsten Wasserfälle Italiens zu den spektakulärsten Ausblicken meines Bergjahres.
Dieser Rundweg ist mit Sicherheit mein unbestrittenes Highlight für 2020. Hey, ich hab eine Edelweiß gefunden!!!!
Unterwegs am Sentiero Dino Icardi
- Sehr gute Kondition und Trittsicherheit von Mensch und Hund erforderlich
- leichte Orientierung. Der gesamte Weg ist regelmäßig und in blau-gelb markiert
- Die seilversicherte Passage und auch die paar Meter davor sind weder für die Fellnase noch für dich ein Problem. Ich bin einfach nur ein riesen Scheisserl mit der großen Begabung des Reinsteigerns in unpassenden Momenten.
- Unbedingt genug Wasser mitnehmen. Zwar kommt man an einigen Seen vorbei, aber in Anbetracht der Länge der Wanderung würd ich lieber mal ein Fläschchen Wasser zu viel einpacken.
- Nimm dir und deinem Hund ordentlich Proviant mit. Einkehr gibt’s nämlich keine.
- Das Vallone dell’ Infernetto (das erste Drittel) ist Almgebiet. Falls dein Hund dazu neigt Schafe oder Esel zu jagen, bitte hier unbedingt anleinen.
2. Rundwanderung mit Hund - hinteres Maira Tal Chiappera - Saretto
Eine Genießer-Tour ohne großartige Höhenmeter. Zum Warmlaufen, zum Überblick-Verschaffen, zum Einkehren, zum Träumen. Etwa wenn man durch die Gässchen von Chiappera - dem schönsten Weiler des Maira-Tals - schlendert. Chiappera ist auch das Highlight dieser kleinen aber feinen Rundwanderung. An den liebevoll restaurierten Häuschen kann ich mich gar nicht genug satt sehen. 😍
Bergblicke gibt’s natürlich auch. Nämlich auf den Felszahn Rocca Provenzale. Dem Wahrzeichen des Maira-Tals.
Unterwegs auf dem Talrundweg hinteres Maira Tal
- auch für nicht so konditionsstarke Menschen und Hunde geeignet
- Mehrere Einkehrmöglichkeiten unterwegs (in der Taverne Visaisa in Saretto kann ich leider keinen Platz mehr ergattern - das Essen soll phänomenal gut sein)
- Wasser für den Hund muss man nicht unbedingt einpacken. Die erste Hälfte der Wanderung führt an mehreren Brunnen vorbei. Ab dem Stausee Lago di Saretto passieren wir einige Quellen.
- Mein Hund läuft nur innerhalb der 2 Ortschaften Chiappera und Saretto an der Leine, ansonsten ‚oben ohne‘.
Valle Maira - Mein Resümee
Es mag vielleicht mit diesem bombastischen Bergmoment zusammenhängen, der meine Sinneswahrnehmung ein wenig beeinflusst. Es kann unter Umständen auch sein, dass meine persönliche Reise - der Sprung, bei dem mein Schatten nicht mithalten konnte - den klaren Blick ein wenig trübt.
Aber meine durchaus sehr hohen Erwartungen an das hintere Maira-Tal wurden nicht nur erfüllt. Sie wurden um ein Vielfaches getoppt. 👌🏼
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Liebste Steffi,
ich habe Deinen Artikel wieder einmal verschlungen. Du bist eine Wortakrobatin und verstehst es wie kein anderer, Emotionen mit Deinen Erzählungen rüberzubringen. Ich war beim Lesen mit dabei im wunderschönen Maira Tal, das ich ganz unbedingt auch in echt und hautnah erleben möchte. Wie traumhaft es dort ist.
Deinen Moment, der Dich zu Tränen gerührt hat, hat auch mich umgehauen. So sehr, dass ich mir danach drei mal „I am from Austria“ lautstark im Auto angehört habe. Scheiss drauf, dass Du gerade nicht in Österreich warst – das Gefühl kommt rüber. Und ich versteh dich, ich steh auch voll auf solche Schmonzetten! Je epischer und dramatischer, umso besser.
Ich gebe Dir jetzt das gleiche mit, was Du unter meinen aktuellen Artikel geschrieben hast. Weil es verdammt nochmal so ist!
DU BIST EINE INSPIRATION.
Grüße von der zweiten Drama Queen,
Sabrina
Drama Baby, Drama…. 😜
Danke liebe Sabrina für diese großen Worte. Und danke, dass du auch diese Drama-Fähigkeiten besitzt. Danke, dass ich dich ‚mitnehmen‘ durfte und danke, dass du dir hinterher gleich ‚I am from Austria‘ reingezogen hast um ‚Es‘ nochmal so richtig zu fühlen…. 🎼
Beim nächsten Mal gemeinsam? ❤️
Liebe Grüße,
Steffi
Hey,
das ist ein wirklich toll geschriebener Bericht und auch die Bilder sind sehr schön. Da würde man am liebsten gleich direkt auch dorthin los fahren 😊
Hallo Nico,
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Mir ging es damals genau so, als ich die ersten Bilder vom Valle Maira sah. Ich war angefixt, wollte sofort dort hin.
Und nachdem ich nun weiß, dass die Region alle meine Vorstellungen sogar toppt, will ich eigentlich sofort wieder hin…. 😜
Wer weiß – vielleicht begegnet man sich mal dort beim Wandern?
Bis bald,
Steffi
Wundervolle Fotos! Also da kriege ich wirklich schon (obwohl ich den Winter bisher sehr genossen habe!) Sehnsucht nach Sommer und Wandern…
Tolle Impressionen und Tourenvorschläge!
Liebe Christine,
Da kann ich dich voll verstehen – bin ja auch irgendwie mindestens genauso Winter-Liebhaberin wie ich mich als Sommerkind sehe. Leider konnte ich mich allerdings in diesem Winter noch nicht so recht ausleben – der Van befindet sich im Corona-Tiefschlaf 😢
Ich glaub, ich träum mich für heute auch nochmal ins Maira-Tal…. 🥰
Liebe Grüße,
Steffi