Wir fahren nach Großbritannien. Nicht.

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Dunkerque. Es ist 10 Uhr morgens. Die Zufahrt zum Terminal ist übersichtlich. Zielstrebig lenkt uns der Mann in die kürzeste Warteschlange beim Check-In. 

Wir sind motiviert, wir sind heiter, wir sind gespannt. Und wir sind jetzt bereit. Für richtig britisches Wetter.

Die Sommermonate - so der Plan - möchten wir in der nördlichsten Region Großbritanniens verbringen. Auf den Shetlandinseln. Ein Großteil der Entscheidungen der letzten Wochen wurden um genau diese Idee herum getroffen.

Wie ich die Pässe aus dem Fenster reiche, sehe ich mich schon in Gedanken einem Shetlandpony die Stirn unter seiner üppigen Mähne kraulen. Und während ich meinem Wolkenkuckkuckspony noch über seine samtenen Nüstern streiche, sehe ich im Augenwinkel eine - in einem Pass hin- & herblätternde - Fährgesellschaftsangestellte. Und als sie das Telefon in die Hand nimmt, wiehert das Seifenblasen-Kleinpferd auf, dreht sich ab und trottet davon. Tschüss Shetland-Pony, Tschüss Shetland. Ein Abschied. Noch bevor wir uns überhaupt begegnet sind… 😢

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Gerade noch in den Pyrenäen eine Portion Bergsommer getankt, fühlen wir uns nun bereit für richtig britisches Wetter

Schlauer ist man immer hinterher

Ich meine, behaupten zu können, eine routinierte Reisende mit Hund zu sein. Meine Fellkinder haben (beinahe) immer weit mehr, als die von einem Land geforderten Voraussetzungen zur Einreise, erfüllt. Wissentlich gab es zwei besondere Situationen in meinem Reiseleben, in denen ich mich leider über durchaus sinnvolle Gesetze hinwegsetzen musste. Das erste Mal war Ende 2018. Nämlich als wir Paula und ihren fünf Welpen zu einem besseren Leben verhelfen konnten.

Zur Wiederholungstäterin wurde ich schließlich vor nicht allzu langer Zeit. Remo ist nämlich ohne Mikrochip mit uns von Italien nach Österreich gereist. Der Grund? Wie so viele Staaten dieser Tage, ist auch Italien ein bürokratiegeplagtes Land - So kann dort ein Mikrochip einem Tier ausschließlich dann implantiert werden, wenn man eine italienische Wohnadresse vorzuweisen hat. Hab ich nicht.

Um nicht erneut gegen das Seuchengesetz zu verstoßen, hat unser Neuzugang aber selbstverständlich die - für das Reisen in Europa essentielle - Tollwutimpfung erhalten.

Mit genau dieser Impfung allerdings sagte ich Shetland Lebewohl. Ohne, dass ich mir dessen wirklich bewusst war. Und obwohl ich durch und durch überzeugt war, im Sinne des Seuchengesetzes zu handeln. 

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Sizilien - Wo das Unglück seinen Lauf nimmt... 🙃
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Auf Sizilien lernen wir wilden Spargel kennen...😌
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...und den besten Rotwein der Welt 🍷

Sizilien - Wo alles begann

Wenn ich jetzt auf unsere bisherige Reise zurückblicke, frage ich mich, ob sie nicht völlig anders verlaufen wäre, hätte ich nicht darauf bestanden, Remo nur mit einer vermeintlich gültigen Tollwutimpfung mitzunehmen. 

Das beginnt damit, dass sein anfänglicher Gesundheitszustand keine Zusatzbelastung im Sinne einer Impfung erlaubte und wir deswegen - Remo-aufpäppelnd - eine relativ lange Zeit auf Sizilien verbrachten. 

Zugegeben, ich möchte keinen einzigen Tag dort missen… 

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Madonie, Sizilien

Die Sizilianer, die wir seither Freunde nennen dürfen, wären wohl nicht Piersanti der Tierarzt oder Elisa die Katzenmama - eine Begegnung aus dem Warteraum des Veterinärs. Die Eindrücke, die ich sowohl von der vielfältigen Sizilianischen Landschaft als auch von den dort lebenden Menschen bekommen habe, fielen bei Gott nicht so intensiv aus. Ich hätte mir nie und nimmer die Zeit gegeben, mich quer durch die Sizilianische Küche zu mampfen um schließlich mit dem Nero d’Avola den MEINEN Rotwein fürs Leben zu finden.  Den kann man übrigens schon mittags trinken… 😉 Ich hätte wahrscheinlich nie das dringende Bedürfnis verspürt, Italienisch als vierte Sprache erlernen zu wollen. Wir hätten wohl nie die Idee geboren, auch den kommenden Winter auf dieser Mittelmeerschönheit zu verbringen. 🚐

Kurzum - alle Vorurteile, die ich über Sizilien, ja eigentlich ganz Süditalien hatte, schwanden mit jeder Woche, die wir auf den richtigen Zeitpunkt für Remos Tollwutimpfung warteten, ein kleines bisschen mehr. Bis kein einziges davon mehr über war. Ein nicht allzu schlechter Start für ein Reisejahr, von dem man sich persönliche Weiterentwicklung erhofft, wie ich finde… 

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Etna West
English Setter Tierarzt Sizilien
Piersanti freut sich mit uns, als Remo zunehmend kräftiger wird
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Morgentliche Laufrunde in Centuripe
Sizilien mit Hund
Sizilien 💕

Auf in den Kampf

Der Lieblingsmensch hat Mühe, mit mir Schritt zu halten, wie ich so entschlossen ins Büro der Fährgesellschaft einmarschiere, Remos Pässe in der Hand, bereit die Angelegenheit in unserem Interesse zu klären. Immerhin bin ich nach wie vor der Meinung, für beide Hunde vollständige Reisedokumente vorweisen zu können.

Remo hat zwei Pässe. Einen Libretto di Vaccinazione Internazionale - das ist der Pass, den wir in Italien für ihn bekommen haben und in diesem ist auch seine Tollwutimpfung dokumentiert, sowie den blauen EU-Heimtierausweis. Den Blauen hat unsere Haustierärztin in Österreich ausgestellt, als sie Remo den Mikrochip implantiert hat. In diesem ist unter anderem die Echinoccocusbehandlung vermerkt. Beide Pässe sind vollständig ausgefüllt und beinhalten Remos Chipnummer.

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Hätten wir nicht eine so lange Zeit auf Sizilien verbracht, so wären wir niemals für den Giro d'Italia im Gran Sasso Nationalpark gelandet

Im Office wird eingangs das Augenmerk auf ein fehlendes Aufffrischungsdatum für die Tollwutimpfung gelegt. Ich fühle mich schikaniert. Und herausgefordert. Immerhin ist die Impfung gerade mal zwei Monate her. 

Es gäbe halt bei Tollwutimpfungen Unterschiede in der Dauer des Impfschutzes, meint der Fährofficemitarbeiter. Ja, entgegne ich, ein oder drei Jahre. Es existiere schlichtweg kein Impfstoff, dessen Schutz mit weniger als zwei Monaten angegeben ist. Wir könnten gerne gemeinsam anhand des Aufklebers, der ja Handelsname etc. enthalte, die Dauer des Impfschutzes eruieren. 

Punkt für mich. 💪🏻 Bereit für die nächste Runde.

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Blick auf die Straße von Messina - Abschied von Sizilien

Man habe so einen Pass halt auch noch nie gesehen & müsse deswegen mit der britischen Behörde Rücksprache halten. 

Remos Geschichte kennt mein Gegenüber inzwischen, dennoch weise ich nachdrücklich darauf hin, dass auch das italienische Dokument ein international gültiges ist. Nützt alles nix - der sehr sehr freundliche aber mindestens so diensteifrige Mitarbeiter will’s wohl wissen. 

Remos Pässe werden gescannt und landen in der Inbox eines Amtes. Dort warten sie, bis irgendein Fliegenbeinzähler etliche Stunden später - unsere Fähre hat längst den Ärmelkanal passiert - entscheidet, dass einer der Pässe die falsche Farbe hat. 😕

Meanwhile am Nebenschalter

Eine klitzekleine Anekdote von unserer Wartezeit im Office möchte ich euch nicht vorenthalten. Nämlich die einer deutschen Reisenden, deren Hund auch vollständige Reiseunterlagen besitzt. Allerdings dürfte der Veterinär ihres Vertrauens die Echinococcus-Behandlung auf dem falschen Blatt im Hundepass vermerkt haben. Keine Chance, auch diese Frau verpasst trotz aller Einwände ihre Fähre.

Ja, es muss alles seine Richtigkeit haben…

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Bereit für Shetland
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Wie gesagt, an der Freundlichkeit & Motivation der Fährgesellschaftsmitarbeiter scheitert es nicht. So werden wir nach der negativen Rückmeldung der britischen Behörde an eine Tierärztin in Dunkerque verwiesen. Die würde uns kurzerhand den Aufkleber von Remos Tollwutimpfung aus dem grünen Pass rauspopeln, in den blauen Pass einkleben und neu abstempeln. Bei mir läutet es Dokumentenfälschung-Dokumentenfälschung-Dokumentenfälschung…🗣️

Die Sirene ignorierend haste ich schließlich zur Tierärztin, die uns bereits erwartet.

In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viel sinnfreie Bürokratie am eigenen Leib erfahren, wie an jenem, als wir nach Großbritannien übersetzen wollten. Und am Ende des Tages spule ich insbesondere den Tierarztbesuch immer und immer wieder ab. Einfach um wirklich zu verstehen, wann eigentlich welches i-Tupferl falsch gesetzt wurde.

In der Praxis arbeiten zwei Tierärztinnen. Die jüngere von beiden erklärt mir nach einem kurzen Blick in Remos Unterlagen, dass sie mir nicht helfen könne. Der Grund? Remo hat seine Tollwutimpfung erhalten, bevor er gechippt wurde. 

Ich verstehe das erst nicht so wirklich, denke es ginge darum, dass es das Fährunternehmen sei, welches diese Reihenfolge nicht akzeptiere. So frage ich auch ganz ungeniert, ob man das Datum der Impfung denn nicht einfach nach hinten korrigieren könne. Immerhin sei das Aufkleber-rauspopeln und mit einer neuen Unterschrift versehen ja auch schon … Dokumentenfälschung. 

Ich schwöre beim Herzschlag meiner Hunde, ich war in diesem Gespräch durchgehend freundlich und definitiv nicht fordernd. Nur naiv. Die junge Veterinärin aber fühlt sich von mir offenbar bedrängt, ihr Ton ändert sich.

Eine Korrektur des Impfdatums bedrohe ihre Existenz, wohingegen es für mich um nichts mehr, als einen schnöden Urlaub ginge. Rufezeichen.

Tja, das hätte besser laufen können. 

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Unser vorläufiges Ersatzreiseziel - Vallée de la Clarée

Lagebesprechung vor der Tierarztpraxis

Man kann bestimmt nicht behaupten, dass es dem Mann und mir an Spontanität fehle, aber ein paar Minuten verbringen wir in absoluter Ratlosigkeit.😩

Und in Ermangelung eines ultimativen Alternativreisezieles fällt uns nichts Vernünftigeres ein, als Remo doch einfach nochmals gegen Tollwut zu impfen. Zumindest um die Option für Großbritannien offen zu lassen. Zwar erst nach 21 Tagen, aber immerhin…

Also… Tierarztpraxis, die Zweite. 

Wir - Lieblingsmensch ist diesmal mit - warten und warten und warten. Die jüngere Veterinärin signalisiert mir im Vorbeigehen klar und deutlich, dass sie keinen Kontakt mehr will. Auch keinen Blickkontakt. Wenn ich das nicht von mir selbst kennen würde, fände ich ihr Verhalten wahrscheinlich unhöflich.

Die ältere Veterinärin - ich würde meinen, sie ist die Chefin - findet irgendwann Zeit und erklärt uns nochmals, dass Remo seine Impfung und seinen Mikrochip in der falschen Reihenfolge erhalten habe und sie deswegen nichts für uns tun könne. Kein Problem, entgegne ich, dann hätten wir jetzt gerne eine Dosis erneute Tollwutimpfung, denn dann stimme die Reihenfolge ja wieder. 😁

Und jetzt kommt’s - DAS sei unzulässig. Hä? 

Zur Erklärung: Tollwutimpfung vor Mikrochipimplatation = ungültige Tollwutimpfung

Remo befindet sich demnach illegal in der Grande Nation. Einem illegalen Hund Legalität zu verpassen, das ist in Frankreich offenbar verboten. 

Wer weiß, ein anderer Tierarzt hätte womöglich seinem Berufskodex einen höheren Stellenwert eingeräumt. Dieses Rennen jedenfalls gewann der Amtsschimmel.

Großbritannien mit Hund Australians Shepherd Kastenwagen Wohnmobil UK
Skye kann über die ganze Sache lachen 🤣
Großbritannien Wandern mit Hund Narzissen
Großbritannien Hufeisen gefunden Glück

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es mit dieser Geschichte nie und nimmer meine Intention ist, gesetzestreue Menschen durch den Kakao zu ziehen.

Ich aber durfte in meinem bisherigen Berufs- & Reiseleben nicht selten die beruhigende Erfahrung machen, dass es so gut wie immer einen kleinen Ermessensspielraum in der Einhaltung von Regeln und Gesetzen gibt. Insbesondere wenn die betroffene Person - bis auf ein paar bürokratische Schönheitsfehler - richtig gehandelt hat. 

Nun, diesmal war’s anders. Auch eine Erfahrung. Aus der ich mir weit mehr mitnehme, als den nächsten Hund in der korrekten Reihenfolge zu chippen und DANN zu impfen…

Das süße Shetlandpony jedenfalls wird, wie’s aussieht, noch länger auf uns warten müssen. Das ultimative Alternativreiseziel hat sich nämlich eingestellt. Wenige Tage nach der bisher teuersten Reisewoche des ganzen Sabbaticals.

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